Auf der Hauptversammlung wurde der angehende Jurist Sebastian Schlüsselburg als Bewerber
der LINKEN für den Wahlkreis 4 gewählt. Mit ihm sprach Peter-Rudolf Zotl.
Du bist 28 Jahre jung, und doch hast Du schon eine beachtliche politische Biografie.
Ja, es stimmt: Ich bin frühzeitig politisiert worden, vor allem durch die schwierige soziale Situation, aus der ich komme, sowie durch Missstände im Bildungssystem, das mich und andere in ähnlicher Lage eher nicht mit Abi und Uni-Examen sehen wollte. Wir bezogen zeitweise Hartz IV, und so habe ich immer nebenbei gearbeitet – in harten Jobs für geringe Bezahlung. Das mussten nur wenige, weil die meisten mit meiner sozialen Herkunft gar nicht erst im Gymnasium und noch weniger auf der Uni waren. Das fand ich von Anfang an ungerecht. Deshalb habe ich mich frühzeitig für Veränderungen engagiert – zunächst als Klassen- und Schulsprecher, später dann als Landes- und Bundesschülersprecher.
Und dennoch mündet eine solche Biografie
nicht zwangsläufig bei der LINKEN …
In meinem Falle war es aber so, denn ich gehörte ja zu der Klientel, um die sich nur die PDS bzw. DIE LINKE so richtig kümmert. Deren sozial- und bildungspolitische Vorstellungen wären auch die Lösung meiner eigenen Probleme gewesen. Dass DIE LINKE sich konsequent jeglichen Kriegseinsätzen verweigert, hat mein Interesse an dieser Partei zusätzlich gesteigert. Als Landesschülersprecher wurde ich von den Berliner Grünen umworben. Die Grünen interessierten mich damals schon. Aber genau da beschloss Rot-Grün die ersten deutschen Kriegseinsätze, und da erlosch bei mir jegliches Interesse. Ich engagierte mich erst bei den Jungdemokraten/Junge Linke und trat dann in die PDS ein.
Nun bist Du schon seit Jahren in Lichtenberg
organisiert. Welche Erfahrungen hast
Du gemacht?
Ich wohne ja noch in der Wohnung eines Onkels in Mitte, der sich längere Zeit im Ausland aufhält. Aber ich habe damals mit Micha Grunst und Daniel Tietze zwei gute Freunde gefunden, und die nahmen mich mit nach Lichtenberg. Und da erlebte ich ein Klima der Offenheit und des Interesses an jungen Leuten – uns wurde zugehört, und mitunter wurde mit uns erbittert gestritten, weil man unsere Meinungen und Argumente ernst nahm, und manche unserer Gesprächspartner waren drei- oder gar viermal so alt wie ich. Wir gründeten die Jugend-BO „Nöldner“ und arbeiteten eng mit anderen BO bzw. Genossen zusammen, z.B. mit Heinz Schmeing, der uns achtet und fördert, aber auch ständig fordert.
Du arbeitest seit Jahren für die Abgeordnetenhausfraktion
– an welchen Projekten?
Carola Bluhm, die mich noch aus meiner Schülersprecher-Zeit kannte, holte mich 2005 als Praktikanten in die Fraktion, um am Projekt „Gemeinschaftsschule“ mitzuarbeiten. Später wurde ich fester Mitarbeiter. Von Anfang an nahmen mich Carola Bluhm, Steffen Zillich und Elke Brosow als Partner an, und so konzipierten wir gemeinsam den Weg für die heute fast zwanzig Gemeinschaftsschulen in Berlin. Das in wenigen Jahren, auf freiwilliger Basis und gegen massive Widerstände – ich glaube, das ist ein Erfolg, den man so nicht erwarten konnte. Jetzt arbeite ich in der Haushaltsgruppe mit, vor allem zur juristischen Untersetzung unserer Vorstellungen, denn ich schließe ja im Herbst das erste juristische Staatsexamen ab.
Was hast Du Dir für den Fall Deiner Wahl in der Wahlkreisarbeit vorgenommen?
Wir werden nach Lichtenberg ziehen – vorausgesetzt, wir finden eine schöne und bezahlbare Wohnung. Natürlich will ich den Basisorganisationen im Wahlkreis als Partner zur Verfügung stehen, sie in ihrer Arbeit unterstützen und ein Informationssystem – wie Deine „Wahlkreis-Depesche“ – aufbauen. Selbstverständlich will ich ebensolche Kontakte mit Vereinen, Organisationen und Initiativen im Wahlkreis pflegen, Bürger zur Selbstorganisation ermuntern, regelmäßige Sprechstunden abhalten und möglichst überall dabei sein, wenn Bürger über die Zukunft ihres Kiezes beraten. Gern würde ich eine interessante Veranstaltungsreihe installieren, und wenn sich dann noch Schulen im Wahlkreis auf den Weg zu Gemeinschaftsschulen machen würden, hätten sie meine volle Unterstützung.