Presseschau: Vom verklebten Schloss bis zum Brandanschlag: Attacken auf Berliner Wahlkreisbüros häufen sich

Das politische Klima ist rau – und schlägt immer öfter in Gewalt um. Allein im November wurden in der Hauptstadt vier Büros verschiedener Parteien attackiert.

Von Robert Kiesel l 10.11.2022

Die jüngste Attacke traf die Berliner Grünen mitten in ihrer Hochburg Kreuzberg: In der Großbeerenstraße unweit des Mehringplatzes beschädigten unbekannte Täter in der Nacht von Montag auf Dienstag die Frontscheibe des Wahlkreisbüros der Abgeordneten Katrin Schmidberger, Turgut Altug und Stefan Taschner.

Fotos zeigen die Spuren mehrerer Schläge auf die Scheibe. Zwar erklärte Schmidberger im Nachgang: „Falls uns das einschüchtern soll, hat das nicht geklappt.“ Zweifel aber sind angebracht.

Denn: Die Attacke ist nur eine von vielen, die sich zuletzt quer durch die Stadt und über Parteigrenzen hinweg ereigneten. Die Sprecher von SPD, Grünen, Linken und CDU brauchen nicht lang, um eine ganze Reihe von Attacken aufzulisten.

Sämtliche Parteien sind betroffen

Die Palette reicht von verklebten Schlössern über vor den Büros verteilten Fäkalien bis hin zu Brandanschlägen wie dem auf das Wahlkreisbüro der Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne). Im Wahlkampf wurde ein Transportwagen der CDU zerstört, mehrere Autos von AfD-Abgeordneten in Brand gesetzt. Darüber hinaus wurde eine Mitarbeiterin der SPD-Bundesstaatssekretärin Cansel Kiziltepe in ihrem Büro bespuckt. Sonstige tätliche Angriffe wurden nicht registriert.

Und die Zahl der Attacken steigt. Allein im November wurden bislang vier Büros von Abgeordnetenhausmitgliedern attackiert, davon je eines von SPD und Linkspartei sowie zwei der Grünen. Hinzu kommt eine Attacke auf das Büro des ehemaligen AfD-Abgeordneten Andreas Wild, das in der Nacht auf den 31. Oktober mit Farbe beschmiert worden war. Ähnliches ereignete sich vor wenigen Tagen an der Kreisgeschäftsstelle der Grünen Tempelhof-Schöneberg.

Dennis Buchner (SPD), Präsident des Berliner Abgeordnetenhauses, äußerte sich am Mittwoch zu den Taten. Er verurteile die Attacken „auf das Schärfste“ und bezeichnete sie als „Angriffe auf unsere freiheitliche Demokratie“. Die Stadtgesellschaft dürfe solche Vorfälle nicht akzeptieren. Meinungsfreiheit und kontroverse politische Debatten seien „für ein funktionierendes politisches System unerlässlich, besonders in diesen herausfordernden Zeiten“, erklärte Buchner.

Das sind Angriffe auf unsere freiheitliche Demokratie.

Dennis Buchner (SPD), Präsident des Abgeordnetenhauses

Dem stimmten Katina Schubert, Chefin der Linkspartei, sowie Susanne Mertens und Philmon Ghirmai, das Führungsduo der Grünen, zu. Dem Tagesspiegel sagte Schubert: „Wir beobachten die Entwicklung auch mit Hinblick auf die zunehmende gesellschaftliche Verrohung mit Sorge. Politischer Streit wird mit Argumenten geführt, nicht mit eingeschmissenen, beschmierten Scheiben oder verklebten Schlössern.“ Mertens und Ghirmai erklärten: „Die Vielzahl der Angriffe auf unsere Einrichtungen macht uns große Sorgen. Diese ganzen feigen Anschläge sind immer Angriff auf alle Demokrat*innen.

Hinweise darauf, wer hinter den Attacken steckt und ob es sich dabei um eine Serie handelt, gibt es derzeit keine. Zwar ermittelt in sämtlichen Fällen der Polizeiliche Staatsschutz beim Landeskriminalamt, Ergebnisse wurden bislang aber noch nicht öffentlich.

Bekennerschreiben, wie sie jüngst nach der mittlerweile sechsten Attacke auf das Lichtenberger Wahlkreisbüro des Linken-Abgeordneten Sebastian Schlüsselburg auf der von Linksextremen genutzten Plattform „Indymedia“ auftauchten, sind die absolute Ausnahme. Ob sie authentisch sind, ist offen.

Immerhin konnten zumindest bislang alle Fälle von Vandalismus über die Versicherungen der Abgeordneten abgerechnet werden. Von der Anfang 2021 per Gesetzesänderung geschaffenen Option, Vandalismusschäden im Fall fehlenden Versicherungsschutzes durch das Abgeordnetenhaus und damit den Steuerzahler erstatten zu lassen, machte bislang niemand Gebrauch.

Quelle:https://www.tagesspiegel.de/berlin/attacken-auf-berliner-wahlkreisburos-vom-verklebten-schloss-bis-zum-brandanschlag-8854909.html