Berlin –
Die nächste Hürde ist genommen. Am Dienstag hat sich der Senat auf einen Mietendeckel-Gesetzesentwurf geeinigt – trotz massiver Kritik und Bedenken aus der Opposition und der Bauwirtschaft. Nun wird der Entwurf dem Rat der Bürgermeister vorgelegt, bevor er im Parlament diskutiert wird. Anfang 2020 soll das umstrittene Gesetz in Kraft treten. Erst am Freitag hatte sich die Koalition nach zwei vertagten Sitzungen und insgesamt 16 Stunden Beratung auf einen Kompromiss geeinigt, der die Mieten für fünf Jahre einfrieren und Wuchermieten absenken soll.
Michael Müller: „Viele gucken jetzt interessiert nach Berlin“
Wohnen und Mieten sei ein zentrales Thema, nicht nur in Berlin, sondern weltweit, sagte der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD). Man müsse darauf reagieren, dass zahlreiche Bevölkerungsgruppen keinen bezahlbaren Wohnraum mehr fänden. „Viele gucken jetzt interessiert nach Berlin. Seit Jahren nutzen wir alle Instrumente, die wir von der Bundesebene haben. Es gibt kein Instrument, das uns geboten wird, das wir nicht auch umsetzen“, so Müller.
Und trotzdem ginge die Mietpreisentwicklung nach oben. Deshalb sei es wichtig, jetzt neue Wege zu gehen. „Viele andere reden darüber und sagen, man müsste, könnte, sollte. Und wir haben ein Instrument, mit dem wir entsprechende gesetzgeberische Kompetenz haben“, sagte Müller. Gleichwohl sei klar, dass das Gesetz juristisch umstritten sei. Es gebe aber nun eine weitestgehend juristische Einschätzung darüber, dass das Einfrieren der Mieten für fünf Jahre Erfolg haben werde. Im Bereich der Absenkung bliebe es umstritten, doch die Chancen, dass das Gesetz vor Gericht Bestand habe „sei groß“, sagte der Regierungschef.
Mietsenkungen erst ab Herbst 2020 möglich
Sowohl die FDP als auch die CDU wollen gegen das Gesetz klagen. Bausenatorin Katrin Lompscher (Linke) sagte am Dienstag, dass sie davon ausgehe, dass das Verfassungsgericht sein Urteil zu dem Gesetz gefällt habe, bevor Mieter die ersten Absenkungsansprüche geltend gemacht hätten. Denn die Möglichkeit, überteuerte Mieten absenken zu lassen, soll erst neun Monate nach Inkrafttreten des Gesetzes, möglich sein – also etwa im Herbst 2020. Auf diese lange Vorlaufzeit hat sich die Regierung geeinigt, weil das neue Gesetz auch neues Personal benötigt. 50 zusätzliche Stellen sind dafür in den Bezirken und 100 bis 200 zeitlich befristete Stellen in der Hauptverwaltung für die Absenkungsbegehren vorgesehen. „Hier gibt es noch in den nächsten Tagen Klärungsbedarf mit der Finanzverwaltung“, sagte Lompscher.
Für die Einstellung ist die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen zuständig. „Ich bin zuversichtlich, dass wir die Personaleinstellung zügig durchführen, auch weil wir das Personal schrittweise einstellen können“, so Lompscher. Die meiste Arbeit wird dabei bei der IBB, der Investitionsbank Berlin, anfallen, die die Härtefälle überprüfen müsse.
Senat geht von 150.000 Absenkungsanträgen aus
Die Bezirke sollen unter anderem Ansprechpartner für Ordnungswidrigkeiten sein und sich um die allgemeine Überwachung kümmern – bis zu einer halben Million Euro kann es kosten, wenn Vermieter weiterhin Wuchermieten verlangen und damit gegen das Landesgesetz verstoßen.
Der Senat geht davon aus, dass rund 20 Prozent (300.000) der rund 1,5 Millionen Mieter, die vom Gesetz betroffen sind, mutmaßlich zu hohe Mieten zahlten. „Das sei allerdings nur eine Annahme“, so Lompscher. Man rechne damit, dass etwa die Hälfte dieser Mieter auch einen Antrag stellten. Von dieser Prognose geht der Senat also aus, dass er rund 150.000 Absenkungsansprüche überprüfen lassen müsse.
Der Vermieter werde zwar nicht dazu verpflichtet sein, seinem Mieter mitzuteilen, dass dieser einen Absenkungsbegehren stellen könne, sagte die Bausenatorin. „Er wird aber sehr wohl verpflichtet sein, zwei Monate nach Inkrafttreten des Gesetzes seine Mieter unaufgefordert darüber zu informieren, welche Mietobergrenzen für diese Wohnung gilt. Das haben wir in das Gesetz aufgenommen“, betonte Lompscher.
Ramona Pop (Grüne): „Der Mietendeckel nimmt den Neubau aus. Und das ist gut so“
Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne) sagte, der rasante Mietenanstieg verunsichere die Menschen zunehmend. Das betreffe nicht nur einkommensschwache Menschen, sondern gehe durch alle Schichten. „Die Mietenkrise untergräbt zudem das Vertrauen in die Politik. Deshalb sind wir überzeugt, dass wir etwas tun müssen“, betonte Pop. Mit dem Mietendeckel kühle man den Wohnungsmarkt jetzt für fünf Jahre ab. „Er wird kontovers diskutiert und wir stellen uns auch der Debatte“, sagte Pop weiter.
Ihr sei klar, dass das Gesetz ein Eingriff in den Markt sei. Aber man solle „bitte die Kirche im Dorf“ lassen. „Nicht jeder Eingriff in den Markt ist das Ausrufen der Planwirtschaft“, bemerkte die Grünen-Politikerin. Die Atempause, die die Berliner Mieter nun bekämen, wolle der Senat auch dazu nutzen, andere Projekte voranzutreiben. „Der Mietendeckel nimmt den Neubau aus. Und das ist gut so. Es gibt 50.000 Baugenehmigungen, die bereits erteilt sind. Und es ist unsere gemeinsame Anstrengung, diese Neubauprojekte auch zu realisieren“, sagte Pop.
Katrin Lompscher diskutiert im Theater an der Parkaue in Lichtenberg
Neben Ramona Pop ist auch Bausenatorin Katrin Lompscher (Linke) eine der Mütter des Gesetzesentwurfs. Und bereits am Dienstagabend ging sie mit diesem Thema auf Werbetour und stellte sich einem Town-Hall-Meeting im Theater an der Parkaue in Lichtenberg. Die Linken-Senatorin hatte vor den rund 50 Besuchern des Abends so etwas wie ein Heimspiel.
Das Publikum zeigte sich größtenteils wohlgesonnen. Als eine Frau sagte, sie bewundere Lompscher für ihr Durchhaltevermögen, erhielt sie warmen Applaus.
Fragen hatten die Besucher an diesem Abend genügend: Woher sollen Wohnungsbewerber wissen, wie viel der Vormieter bezahlt hat? Wie ist die Situation der Genossenschaften? Was passiert mit den Mieterhöhungen, die vielfach gleich nach dem Bekanntwerden des Mietendeckels rausgeschickt wurden?
Katrin Lompscher: „Das Ergebnis ist ein epochaler Schritt“
Der Senat sei mit dem Gesetzentwurf angetreten, günstige Mieten zu schützen, sagte sie. Sie zitierte den Spruch „Der Anfang ist die Hälfte vom Ganzen“. Der gefalle ihr, sagte die Senatorin. Die Arbeit an dem Gesetz habe zwar viel Lebenszeit gekostet, „aber das Ergebnis ist ein epochaler Schritt“.
Ansonsten blieb sie ihrer bekannt pragmatischen Haltung treu, als sie sagte, sie sehe einer möglichen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts keinesfalls gelassen entgegen, „sondern mit Spannung“.
Deutlich optimistischer zeigte sich der Gastgeber des Abends, der Abgeordnete Sebastian Schlüsselburg. Der Jurist wollte sogar fast eine Wette darüber abschließen, was Karlsruhe wohl beschließen würde. Es sei unstrittig, dass das Land Berlin überhaupt Gesetzgebungskompetenz in dieser Sache habe. Entscheidender sei die Frage, wie die Einschränkung des Eigentumsrechts gewertet werde.
Auch da sei er optimistisch, sagte Schlüsselburg. Maximale Rendite sei nicht vom Grundgesetz gedeckt, und Wohnungsmangel sei als Rechtfertigungsgrund für solche Eingriffe ohnehin schon historisch anerkannt. Nach seinen Worten sei Franz-Josef Strauß der letzte deutsche Politiker gewesen, der ein solches Gesetz unterschrieben habe. Ausgerechnet!