Presseschau: „Es ist das allerletzte Mittel, das Berlin noch hat“: Welche Chance Berlin bleibt, die A100-Verlängerung zu verhindern

Von Christian Latz | 04.09.2022, 17:53 Uhr

Verkehrssenatorin Bettina Jarasch will die A100-Verlängerung über eine Änderung des Flächennutzungsplans stoppen. Dafür müsste das Land vor allem schnell sein.

BERLINMit Worten war Berlins Verkehrssenatorin Bettina Jarasch bislang nicht weitergekommen. Trotz mehrerer Appelle an das Bundesverkehrsministerium, den von ihr abgelehnten Ausbau der A100 zu stoppen, hält das Haus von Verkehrsminister Volker Wissing bislang an den Plänen fest. Nun versucht es Jarasch auf andere Weise: Das Land Berlin soll den Flächennutzungsplan (FNP) ändern mit der Maßgabe, für das betroffene Gebiet einen besonderen Bedarf an Wohnungen und Schulbauten festzustellen. Kein endgültiges Aus für die Autobahnpläne. Aber an diesen Erfordernissen könne der Bund bei seinen Planungen „dann nicht mehr vorbeigehen“, sagte Jarasch. Doch wie realistisch ist der Vorstoß? Darüber gehen die Meinungen auseinander.

„Es ist das allerletzte Mittel, das Berlin noch hat“, sagte Stephan Machulik, verkehrspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion. Ob es tatsächlich anwendbar sei, hält er jedoch für zweifelhaft. „Das ist eine schöne Idee, aber in Berlin würde das ewig dauern.“ Schon um einen Bebauungsplan aufzustellen, vergingen in der Hauptstadt oft etliche Jahre. „Eine Änderung des Flächennutzungsplans ist noch viel komplexer. Da müssen viel mehr Dinge berücksichtigt werden.“ Gänzlich ausschließen will Machulik einen schnelleren Fortgang nicht. Auch dann müsste die Arbeit jedoch nicht Jaraschs Haus, sondern die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung von Bausenator Andreas Geisel, übernehmen. Der äußerte sich am Sonnabend zunächst zurückhaltend zum Vorstoß seiner Koalitionskollegin.

Als Hürde sieht Verkehrspolitiker Machulik zudem die Frage, ab welchem Planungsstand der Punkt erreicht sei, dass auch eine späte FNP-Änderung diese mehr aufhalten könne. „Das konnte mir niemand bislang sagen.“

Aus Sicht des Abgeordneten Sebastian Schlüsselburg (Linke) ist dafür noch genügend Zeit. Derzeit liefen für die Verlängerung der A100 die Vorplanungen. Erst wenn das Planfeststellungsverfahren eingeleitet werde – geplant 2027 – sei es wirklich zu spät. „Wir müssen den FNP jetzt unverzüglich ändern“, sagte Schlüsselburg. Die momentan enthaltene Trassenfreihaltung für die A100 müsse man dabei „ersatzlos rausstreichen“ und stattdessen definieren, was Land und Bezirke auf diesen Flächen machen wollen. „Wenn man das gemacht hat, muss man auch gleich bauen und Tatsachen schaffen“, forderte der Linke-Politiker.

Auch ohne Autobahn hält Sozialdemokrat Machulik dabei in dem Abschnitt weitere Straßen für nötig. „Wir brauchen da eine zusätzliche, verkehrliche Anbindung. Einfach zu sagen, wir machen da Wohnhäuser oder einen Park, funktioniert nicht.“ Auch wegen dieses Arguments lehnt die Opposition den Vorschlag der Verkehrssenatorin ab. „Frau Jarasch verhält sich wie ein trotziges Kind im Kampf um seine grünen Förmchen“, sagte CDU-Generalsekretär Stefan Evers. Damit enttäusche sie „die vielen Menschen im Ostteil der Stadt, die seit Jahrzehnten auf den Anschluss an die Stadtautobahn warten.“ Als „Taschenspielertrick“, bezeichnete Felix Reifschneider (FDP) Jaraschs Plan: „Die A100 ist ein wichtiger Lückenschluss und von großer Bedeutung für den ganzen Berliner Osten.“ Christian Latz