von Florian Thalmann
Berlin – Die Berliner sind daran gewöhnt, über allerlei Skurrilitäten zu staunen, die sich im Hauptstadt-Alltag ereignen. Und trotzdem gibt es Dinge, die gibt’s gar nicht – zum Beispiel diesen Prozess: Im September stand ein Mann wegen Beleidigung vor Gericht, weil er bei einer Personenkontrolle in Anwesenheit einer Polizistin furzte – das Verfahren wurde eingestellt. Nun hagelt es Kritik.
Es ist eine Posse, die ihresgleichen sucht: Anfang September musste im Amtsgericht Tiergarten Christopher S. vor die Richterin treten. Grund: Im Februar 2016 hatten Polizisten im Gebiet um die Rigaer Straße eine Personengruppe kontrolliert. Der Gruppenleiter der 32. Polizeieinheit will dabei Berichten zufolge beobachtet haben, wie S. in der Nähe einer Polizeibeamtin zweimal furzte.
War die unerhörte Flatulenz nur heiße Luft? Nicht für den Polizisten. Er drohte mit einer Anzeige wegen Beleidigung, denn er sah die Ehre seiner Kollegin verletzt. S. und seine Begleiter lachten zuerst – doch zwölf Monate später landete ein Strafbefehl über 900 Euro in seinem Briefkasten. Er legte Widerspruch ein, der Fall kam vor Gericht. Am Prozesstermin ließ die Richterin das Verfahren aber platzen.

Sebastian Schlüsselburg (Linke) hat ausgerechnet, wie viel der Furz den Steuerzahler kostete.
Foto: imago/Stefan Zeitz
Nun hagelt es Kritik – vor allem Sebastian Schlüsselburg (Linke) stinkt das Verfahren gewaltig. In einer Anfrage an den Senat erkundigte er sich nach dem Personalaufwand des Falles. In der Antwort von Martina Gerlach, Staatssekretärin für Justiz und Verbraucherschutz, ist genau das aufgeschlüsselt.
23 Polizisten mit dem Furz beschäftigt
Demnach waren allein von Seiten der Polizei 23 Dienstkräfte involviert, der Zeitaufwand für die Bearbeitung lag bei 17 Stunden und 13 Minuten. Diese Zeit ergibt sich „aus den polizeilichen Maßnahmen vor Ort, der späteren Sachbearbeitung und dem zeitlichen Aufwand für die richterliche Vorladung“, heißt es. Hinzu kommen Mitarbeiter bei der Amtsanwaltschaft und natürlich bei Gericht.
Schlüsselburgs Büro rechnete nach: Legt man die Angaben der Senatsverwaltung zu Grunde und rechnet eher konservativ, so hat dieser Furz die Steuerzahler am Ende laut dem Abgeordneten mindestens 87,25 Euro gekostet. Auf den ersten Blick wenig. Doch die Kalkulation wurde ohne Streifenpolizei angesetzt, weil man berücksichtigte, dass die Beamten sowieso in der Rigaer Straße waren.
Für die Justizbediensteten ging man von niedrigen Bearbeitungszeiten aus – bei der Richterin, die das windige Verfahren sofort abblies, waren es beispielsweise zehn Minuten. Für den Linken-Politiker ist das Prozedere trotzdem ein Unding.
„Die Antwort der Senatsverwaltung zeigt, dass hier für die Verfolgung einer Nichtigkeit erhebliche personelle Ressourcen verschwendet worden sind“, sagt Schlüsselburg. „Rot-Rot-Grün sorgt gerade für eine deutliche personelle Verstärkung der Staatsanwaltschaft, der Polizei und auch der Richterschaft. Diese Ressourcen sollten zur Lösung echter Sicherheitsprobleme verwendet werden.“
Warum wurde das Verfahren überhaupt zugelassen? In der Begründung heißt es unter anderem, die Strafverfolgungsbehörden seien verpflichtet, bei Vorliegen eines Anfangsverdachts wegen aller verfolgbaren Straftaten einzuschreiten. Die Überlastung der Justiz sei kein geeigneter Grund, von der Strafverfolgung abzuweichen.
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