Presseschau: Abschied von Hartz IV Die wahre Sozial-Hilfe

Berlin – Jetzt mischt sich der Regierende Bürgermeister in die Hartz-IV-Debatte ein. Als Bundesratspräsident will Michael Müller (SPD) diese staatliche Hilfe, von der 122.000 Berliner leben müssen, abschaffen. Stattdessen fordert er eine echte Sozialhilfe von etwa monatlich 1500 Euro brutto für Langzeitarbeitslose. Sie sollen dafür Arbeiten als Hausmeister oder Kinder-Betreuer im Dienst der Kommunen verrichten.

2005 hatte die Bundesregierung von SPD-Kanzler Gerhard Schröder Hartz-IV für Langzeitarbeitslose eingeführt. Nach den aktuellen Regelsätzen bekommen Berliner Betroffene derzeit monatlich 374 bis 416 Euro als Stütze vom Staat. Damit hätte „jeder das, was er zum Leben braucht“, sagte jüngst der neue Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU), löste so eine heftige Diskussion aus, in die nun der Regierende Bürgermeister Müller eingreift.

Müller fordert jetzt den Abschied von Hartz IV. Weil vor allem die Digitalisierung rasant die Arbeitswelt verändert und Jobs killt, sei es an der Zeit, „Schluss zu machen mit dem bisherigen System und es zu ergänzen durch ein neues Recht auf Arbeit“, sagte Müller der Berliner Morgenpost.

„Wir orientieren uns am Mindestlohn“

Der Regierende fordert das „solidarische Grundeinkommen“. Damit hätten Langzeitarbeitslose ein echtes Arbeitsverhältnis, bekämen normalen Lohn, Sozialabgaben würden geleistet, sie erwürben Rentenansprüche, so Müller. Der Staat zeige sich dann gegenüber den Betroffenen solidarisch, weil er ihnen Arbeit gibt. Als Gegenleistung würden Hartz-IV-Empfänger künftig in Bereichen arbeiten, die der Gesellschaft zugutekommen.

„Wir haben in Berlin so viele Aufgaben: Schulhausmeister, Schulsekretärin, Begleiter in Bus und Bahn, Nachmittagsbetreuung für Kinder und Jugendliche“, sagt Müller. „Ich glaube, das ist für viele Menschen interessanter als Pakete für den Online-Versand zu packen.“

Um den nötigen Anreiz zu bieten, soll das Einkommen in Müllers Plan höher liegen als der Hartz-IV-Regelsatz. „Wir orientieren uns am Mindestlohn. Da landet man als Single in Vollzeit bei etwa 1500 Euro brutto oder 1200 Euro netto. Wenn man Kinder hat, kommt noch das Kindergeld dazu.“ Laut dem Wirtschaftsforschungsinstitut DIW könnte man das System mit etwa 100.000 Arbeitslosen starten. Kosten: 500 Millionen Euro, so Müller.

Zuerst müssen neue Stellen geschaffen werden

Dass der Regierende gerade jetzt den Abschied von Hartz IV fordert, ist kein Zufall. Auch der neue Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) will Langzeitarbeitslose in gemeinnützige Arbeit bringen. Er kündigte dafür ein Vier-Milliarden-Euro-Programm an. Das kommt bei den Linken gut an, die ähnliche Pläne haben. „Auch freie Träger wie die Volkssolidarität oder Jugendfreizeiteinrichtungen können mehr Arbeitskräfte brauchen“, sagt der Lichtenberger Abgeordnete Sebastian Schlüsselburg. „Wer Interesse hat, sollte aber professionell angelernt werden.“

Müller könne aber Hartz-IV-Empfänger nicht so einfach in Kinder- oder Altenbetreuung stecken. „Dafür ist Fachpersonal notwendig“, sagt Alexander J. Herrmann, CDU-Fraktionschef in der BVV Marzahn-Hellersdorf. Kritik kommt auch vom Friedrichshain-Kreuzberger SPD-Chef John Dahl. „Müllers Idee ist gut. Aber wer Arbeitslose im öffentlichen Dienst als Hausmeister einsetzen will, muss erst die Stellen neu schaffen, die der Senat vor Jahren aus Spargründen abgeschafft hatte.“

– Quelle: https://www.berliner-kurier.de/29888724 ©2018