New-York-Klassenfahrt: Offener Unterstützungsbrief an Schulleiter Völker

Lady Liberty

Ich finde es beschämend und entlarvend zugleich, wie hier eine Neid-Debatte „von oben“ angezettelt wird. Es geht hier um Teilhabe und Bildung. Genau das wird durch das Bildungs- und Teilhabepaket gewährt. Und es ist rechtlich zulässig. Das hat das Bundessozialgericht 2011 entschieden. Ich finde wir sollten viel mehr darüber reden, wie den Schulen durch den Senat geholfen werden kann, günstiger zu planen. Der Senat könnte auch Großkundenrabatte für alle Schulen aushandeln und einen Zuschussfonds für Familien auflegen, die knapp oberhalb der Transferleistungsschwelle liegen. Herr Völker hat eine gute Entscheidung getroffen. Das habe ich ihm in einem offenen Unterstützungsbrief mitteilen wollen.

 

Sehr geehrter Herr Völker,

der Presse habe ich entnommen, dass Sie derzeit viele Zuschriften erhalten. Das Verhältnis von jenen, die sie „runtermachen“, zu jenen, die Ihnen Zuspruch erteilen, sei fünf zu eins. Ich habe das zum Anlass genommen, um die Quote der Zuschriften zu erhöhen, die Ihre Entscheidung unterstützen. Dafür gibt es aus meiner Sicht gleich mehrere Gründe.

Es sollte daran erinnert werden, dass das Bundessozialgericht 2011 entschieden hat, dass Aufwendungen für Klassenfahrten ins Ausland für Bedürftige im Sinne des Teilhabeziels der §§ 23 Abs. 3 Nr. 3 Satz 2, 28 SGB II zu erbringen sind, wenn deren Durchführung den bundesrechtlichen Rahmen nicht überschreitet und sich im Rahmen der landesrechtlichen Bestimmungen hält. Sie haben mit Ihrer Entscheidung weder den bundesrechtlichen Rahmen überschritten noch landesrechtliche Bestimmungen verletzt. In Berlin gibt es nämlich keine Kostenobergrenzen für Klassenfahrten.

Ihre Entscheidung war auch aus Bildungs- und Teilhabegründen sinnvoll: Klassenfahrten und Bildungsreisen sind ein wichtiger Bestandteil des Bildungsauftrages der Schule. Sie dienen dazu den kulturellen Horizont der Schülerinnen und Schüler zu erweitern und insbesondere bei Reisen in das Ausland auch einen Anreiz für die Sprachförderung zu geben.

In Berlin muss leider jedes dritte Kind in Armut aufwachsen. In Ihrem Schulbezirk, Friedrichshain-Kreuzberg, waren im Jahr 2013 nach Auskunft des Senates 31,9 Prozent der unter 18jährigen armutsgefährdet. In der Altersgruppe der 18 bis 25jährigen waren es sogar 50,4 Prozent. Bundesweit geben nach Auskunft des statistischen Bundesamtes 22,4 Prozent der Haushalte an, dass sie sich aus finanziellen Gründen jährlich nicht einmal eine Woche Urlaub außerhalb der eigenen vier Wände leisten können. Für viele Schülerinnen und Schüler sind Klassenfahrten daher für lange Zeit die einzige Gelegenheit zu verreisen oder das Ausland zu besuchen.

Eine Beschränkung der Teilhabe an Klassenfahrten wäre nicht nur eine beklagenswerte finanzielle Ausgrenzung aufgrund des Geldbeutels der Eltern. Es wäre vor allem auch eine nicht hinnehmbare Verschlechterung der Bildungschancen. Das Bildungs- und Teilhabepaket wurde von der Bundesregierung mit großer Geste eingeführt, gerade um die Teilhabe von Menschen in Armut zu verbessern und ihrer gesellschaftlichen Ausgrenzung entgegenzuwirken.

Das einzige, was man vielleicht kritisieren kann, ist der relativ hohe Kostenanteil pro Schüler. Möglicherweise hätte man hier durch eine rechtzeitigere Planung und Buchung effizienter wirtschaften können. Das ist aber kein Grund dafür, gleich das Kind mit dem Bade auszuschütten und eine von oben geführte Neiddebatte zu befeuern.

Wie wäre es denn, wenn der Senat, statt über Kostenobergrenzen, mal über eine Unterstützung der Schulen nachdenken würde: Er könnte eine Handreichung zur effizienten Planung von Klassenfahrten erarbeiten und sich z.B. bei der Deutschen Bahn oder der Lufthansa für ein Großkundenrabatt einsetzen, von dem alle Schulen profitieren würden. Er könnte einen Landesfonds einrichten, um auch den Schülerinnen und Schülern eine Bezuschussung zu Klassenfahrten zu ermöglichen, deren Familien finanziell knapp oberhalb der Transferleistungsschwelle liegen. Stattdessen werden wieder einmal die Schwächsten gegen die Schwachen der Gesellschaft ausgespielt.

Ich finde, Sie haben eine rechtlich und pädagogisch richtige Entscheidung getroffen. Sie haben Ihren Schülerinnen und Schülern eine Bildungsreise ermöglicht, von der sie lange zehren können. Es sollten noch viel mehr Schülerinnen und Schüler die Möglichkeit erhalten Auslandsreisen zu machen – und zwar unabhängig vom Geldbeutel der Eltern.

Mit freundlichen Grüßen,

Sebastian Schlüsselburg

(stellv. Bezirksvorsitzender)

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