In Lichtenberg sind ungezählte Briefwahlstimmen nachträglich ausgewertet worden. Dabei kam es zu einem Patt zwischen zwei Kandidaten. Der Landeswahlleiter warnt: Auch das Endergebnis kann sich noch ändern.
Von Robert Klages | Julius Betschka | Daniel Böldt | 15.02.2023, 11:56 Uhr | Update: 15.02.2023, 17:58 Uhr
Die Auszählung von liegengebliebenen Wahlbriefen in Lichtenberg hat nichts an der Reihenfolge der Wahlergebnisse der Parteien geändert. Von den am Mittwoch nachträglich ausgezählten 466 Zweitstimmen entfielen 88 auf die SPD und 80 auf die Grünen. Damit hätte sich der knappe Vorsprung der SPD auf die Grünen sogar ein wenig vergrößert. Die Sozialdemokraten liegen nun 113 Stimmen vor dem bisherigen Bündnispartner.
Landeswahlleiter Stephan Bröchler warnte allerdings, dass das amtliche Endergebnis durchaus noch vom vorläufigen Ergebnis am Wahlabend abweichen könnte. „Das Schnellverfahren ist jetzt durch und wir suchen jetzt nach Fehlern und finden auch immer wieder welche“, sagte Bröchler. Diese kleinen Fehler etwa bei der Auszählung der Stimmen seien aber bei Wahlen ganz normal. „Ich bin sicher, dass sich das Ergebnis noch leicht verändern wird. Das ist aber völlig normal“, sagte Bröchler.
Allerdings ist es nach der Wahl am Sonntag wohl so brisant wie nie: Durch den geringen Abstand zwischen SPD und Grünen könnte sich bei einem Wechsel der Stimmenmehrheit zugunsten der Grünen auch der Anspruch aufs Rote Rathaus ändern. Verkehrssenatorin Bettina Jarasch (Grüne) könnte dann ein mögliches grün-rot-rotes Bündnis führen wollen.
Bei der Nachzählung der bisher vergessenen 466 Briefwahlstimmen in Lichtenberg kam es am Mittwoch nach der Zählung zum Patt zwischen zwei Kandidierenden. Dennis Haustein (CDU) und Claudia Engelmann (Linke) haben im Wahlkreis Lichtenberg 3 genau gleich viele Erststimmen erhalten.
Die Linke prüft rechtliche Konsequenzen
Bisher hatte Haustein knapp die Nase vorn gehabt. Sollte Engelmann nun gewinnen, hat das auch Konsequenzen für die Größe des Abgeordnetenhauses: Dieses ist durch die vielen Direktmandate der CDU auf mehr als 150 Abgeordnete angewachsen. Besonders die SPD hat viele Ausgleichsmandate erhalten, um den sogenannten Überhang an CDU-Direktkandidaten auszugleichen. Würde eines der Direktmandate wegfallen, fielen für SPD und Grüne auch jeweils ein Abgeordneter weg. Das Parlament würde kleiner werden.
Nach dem Gesetz müsste nun das Los zwischen beiden entscheiden. Engelmann hat am Mittwochnachmittag aber beim Bezirkswahlleiter von Lichtenberg förmlich eine Kontrollzählung aller Erststimmen im Wahlkreis angeregt. Das sagte der Lichtenberger Linke-Abgeordnete Sebastian Schlüsselburg dem Tagesspiegel.
Die Linke begründet das mit weiteren kleinen Unstimmigkeiten im Auszählungsergebnis. So gebe es in diesem Wahlkreis überproportional viele ungültige Erststimmen, sagte Schlüsselburg. Außerdem soll die Gesamtzahlzahl der angegebenen abgegebenen Stimmen nicht mit der Aufteilung der Parteistimmen zusammenpassen. „Das können kleine Übertragungsfehler sein, aber hier geht es ja wortwörtlich um jede Stimme“, sagte Schlüsselburg.
Linke meldet Unregelmäßigkeiten im entscheidenden Wahlkreis
Laut den Linken fehlen 22 Stimmen. Zudem gebe es weitere Ungereimtheiten, zum Beispiel neun Erststimmen mehr als Zweitstimmen. Die angegebene Wahlbeteiligung sei mit 20,9 Prozent sehr gering und es gebe mehr Erststimmen als Wählende überhaupt. Hinzu kommen überdurchschnittlich viele ungültige Stimmen.
Auch in Wahllokalen habe es Probleme gegeben: So seien zum Beispiel Fahrstühle defekt gewesen, wodurch eine Barrierefreiheit nicht gegeben gewesen sei. Der Wahlvorstand in einem Wahllokal sei nicht ausreichend besetzt gewesen, und es sei zu Abweichungen im vorgegebenen Wahlverfahren gekommen.
Bezirkswahlleiter Hunger hat eine solche Kontrollzählung zunächst abgelehnt, dann aber doch in drei Wahlbezirken zugestimmt. Die Linke hält sich eine Anfechtung der Wahl offen. Bis Montag muss das Wahlergebnis im Bezirk feststehen, das landesweite Endergebnis wird am 27. Februar vom Landeswahlausschuss verkündet.
Am Dienstag war bekannt geworden, dass in Lichtenberg nachträglich 466 Wahlbriefe aufgetaucht waren. Noch am selben Tag hatte Lichtenbergs Stellvertretender Bürgermeister Kevin Hönicke (SPD) zunächst verkündet, die Post sei für die Panne zuständig. Später stellte sich heraus: Die Briefe waren in der Poststelle des Bezirks liegen geblieben.
Ebenfalls am 27. Februar wird der Landeswahlausschuss formal feststellen, welche Abgeordneten tatsächlich im Parlament sind. Am 16. März konstituiert sich das neue Abgeordnetenhaus. Die Legislaturperiode beginnt zwar wegen des Wiederholungscharakters der Wahl nicht neu, aber das Abgeordnetenhaus wird komplett neu zusammengesetzt. So wird die CDU künftig als stärkste Partei das Präsidium des Parlaments übernehmen. Als Kandidatin für die Nachfolge von Dennis Buchner (SPD) gilt die bisherige Vize-Präsidentin Cornelia Seibeld (CDU).